Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) berücksichtigen Themen wie Armutsbekämpfung, Klimawandel, Gleichstellung der Geschlechter und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Sie sind eine gemeinsame globale Vision für eine integrativere, gerechtere und nachhaltigere Zukunft. Laut dem jüngsten SDG-Bericht sind die Fortschritte langsam oder sogar rückläufig. Lediglich 15% der Ziele dürften bis 2030 erreicht werden, während die Fortschritte bei den meisten stagnieren oder sogar rückläufig sind. Als Hauptursache gelten der Finanzierungsmangel und die fehlende Bereitstellung von Privatkapital im derzeitigen hyperinflationären Umfeld nach Corona.
Zur Veranschaulichung: Die jährliche Finanzierungslücke von 4.000 Mrd. EUR im Jahr 2020 übersteigt jetzt 10.000 Mrd. EUR. Dies ist umso besorgniserregender, als die Deadline 2030 mit alarmierender Geschwindigkeit näher rückt und die Rahmenbedingungen immer komplexer werden. Man denke nur an das SDG 3 „Gute Gesundheit und Wohlbefinden“: Hier hat sich die Situation verschlechtert. 50% der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsleistungen.[3] 2019 haben die Gesundheitskosten mehr als 380 Millionen Menschen noch weiter in extreme Armut getrieben.[4] Die Impfquote bei Säuglingen ist eine weitere traurige Tatsache: Sie ist auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren und die Sterblichkeitsrate bei Tuberkulose und Malaria ist im Vergleich zur Zeit vor Corona[5] gestiegen. Zum Ausgleich muss das Kapital des Privatsektors in die Finanzierung des Gesundheitswesens gelenkt werden, um so ebenfalls einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu leisten.
Der Privatsektor spielt eine wichtige Rolle bei der Suche nach Stakeholdern, die sich für ein gesundes Leben und die Förderung des Wohlergehens aller einsetzen –insbesondere angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums, das die sozioökonomischen Ungleichheiten noch verschärfen wird. Die Weltbevölkerung im Jahr 2050 wird auf fast 10 Milliarden Menschen geschätzt[6], was für die Industrieländer ein Gesundheitsbudget in Höhe von 14% des BIP bedeutet, verglichen mit 6% heute[7]. Die Umlenkung von Privatkapital in den Gesundheitssektor würde die Finanzierungslücke schließen und gleichzeitig Investitionsmöglichkeiten schaffen. Investitionen in die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen, wie sie zwischen 2015 und 2022 erfolgten, würden beispielsweise bis 2030 einen wirtschaftlichen Gewinn von über 1.300 Milliarden Euro generieren[8]. Ein weiteres Beispiel ist der Telemedizinbereich, für den zwischen 2023 und 2030 ein durchschnittliches Jahreswachstum von 20% erwartet wird.[9] Und die Liste lässt sich fortsetzen.
SDGs in der Investmentwelt
Die Einbeziehung der SDGs in den Entscheidungsprozess bei Investitionen würde es Anlegern ermöglichen, von den Performance-Aussichten zu profitieren und gleichzeitig positive soziale und ökologische Ergebnisse zu erzielen. Es gibt viele Möglichkeiten, Performance-Aussichten mit positiven Auswirkungen zu kombinieren: zum Beispiel ein US-amerikanisches biopharmazeutisches Unternehmen, das auf die Behandlung seltener Krankheiten spezialisiert ist. Sein Ziel ist es, bis zum Ende dieses Jahrzehnts mindestens fünf neue Produkte für bisher nicht behandelte Krankheitsbilder zuzulassen. Das Unternehmen vergibt Stipendien für die medizinische Ausbildung und unterstützt politische Initiativen, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung und die Chancengleichheit im Gesundheitswesen verbessern. Außerdem bietet es ein kostenloses Arzneimittelprogramm für berechtigte, nicht versicherte Patienten in den USA an. In den letzten fünf Jahren hat das Unternehmen ein jährliches Umsatz- und Gewinnwachstum von +20% bzw. +14% erzielt.
Ein weiteres Beispiel ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Bioanalytik. Die Gruppe betreibt klinische Diagnoselabors und bietet Qualitätskontrolldienste für die Bereiche Umwelt, Lebensmittel, Arzneimittel und Kosmetika an. Die Wachstumsaussichten in diesen Segmenten sind beträchtlich, mit prognostizierten +8% pro Jahr über die nächsten zehn Jahre für Lebensmittel- und Umwelttests und mehr als 10% pro Jahr bei biopharmazeutischen Produkten. Neben der Förderung des Gesundheitswesens bietet das Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten der Umweltanalytik. In der Landwirtschaft bietet das Unternehmen beispielsweise eine neue Serie von Bodenkohlenstofftests an, um den Übergang zu nachhaltigeren Praktiken zu unterstützen.
Der Privatsektor ist ein wichtiger Faktor bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Unter Nutzung seiner Stärken – Agilität, Innovation und Investitionskraft – hat der Privatsektor das Potenzial, transformative Veränderungen voranzutreiben. Durch Finanzierung können Unternehmen ihre Strategien und Tätigkeiten an den SDGs ausrichten und positive soziale und ökologische Auswirkungen erzielen, während sie gleichzeitig neue Möglichkeiten für nachhaltiges Wachstum eröffnen.
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Foto: Marie Lassegnore © La Française AM